Grosses Evangelium Johannes Band 9, 63. Kapitel

[GEJ.09_063,01] In einer Stunde aber gelangten wir in einen dichten Wald, durch den der Weg führte gen Galiläa hin. Der Wald dauerte bei drei guten Stunden Weges, und es war kein Haus irgend am Wege.

[GEJ.09_063,02] Und es fragten Mich die Jünger, warum ein solcher Wald von niemandem benützt werde.

[GEJ.09_063,03] Ich aber sagte zu ihnen: „Seid froh darüber, daß in dem Gelobten Lande noch ein so gesunder Wald besteht und noch nicht der menschlichen Habgier zum schnöden Opfer geworden ist! In diesem Walde könnet ihr noch Stellen finden, an denen der Honig aus den Bäumen wie ein kleiner Bach fließt; denn in solchen Wäldern sind noch reichlich Bienen vorhanden und bereiten den Honig.

[GEJ.09_063,04] Dazu habe Ich auch allerlei Getier erschaffen, das da erstens für den natürlichen Bestand der Erde ebenso notwendig ist wie dem Menschen das Auge zum Sehen, und zweitens zur fortschreitenden und selbständigen Ausbildung der Seelen auf dieser Erde vollends unerläßlich ist, wie Ich euch das bei andern Gelegenheiten schon ganz umständlich und durch die Eröffnung eurer inneren Sehe auch wesentlich gezeigt habe; und so werdet ihr denn auch einsehen, daß das Getier aller Art und Gattung, weil es zur endlichen Ausbildung des Menschen nach Meiner Ordnung dasein muß, neben dem Menschen auf dieser Erde doch auch eine Wohnstätte haben muß. Und dazu sind denn auch hie und da auf der Erde derlei größere und dichtere Wälder notwendig. Sie haben aber daneben noch tausendfach andere Zwecke.

[GEJ.09_063,05] Vor allem sind sie die ersten Aufnahmegefäße für zahllos viele Naturgeister, die im Reiche der Pflanzen ihre erste, schon mit einer geordneten Intelligenz gesonderte Inkorporierung erhalten und insoweit zu einer Reife gelangen, durch die sie dann schon ins intelligentere und freiere Tierleben übergehen können, – was alles Ich euch auch schon gezeigt habe, weil Ich es also will, daß ihr alle Geheimnisse des Reiches Gottes auf Erden wohl erkennen sollet.

[GEJ.09_063,06] Solange derlei Wälder auf der Erde in gerecht reichlichem Maße bestehen und die stets aus allen Sternen zur Erde kehrenden und aus dieser Erde sich entwickelnden und aufsteigenden Naturgeister in solchen Wäldern ihre Aufnahme und wohlgeordnete Unterkunft finden, so lange werdet ihr über dem Erdboden hin weder zu heftige Elementarstürme, noch irgend zu verschiedenartig pestilenzische Krankheiten auftauchen sehen; wenn aber einmal die zu gierende Gewinnsucht der Menschen sich zu sehr an den Wäldern der Erde vergreifen wird, dann wird für die Menschen auch böse zu leben und zu bestehen sein auf dieser Erde und am bösesten dort, wo die Lichtungen der Wälder zu sehr überhandnehmen werden, – was ihr euch auch merken könnet, um die Menschen vor solch einer losen Industrie rechtzeitig zu warnen.

[GEJ.09_063,07] Seht, in den ersten Zeiten der Menschen auf dieser Erde wußte man weder von gezimmerten Häusern und noch weniger von gemauerten Burgen; solche Wälder dienten auch den Menschen zur Wohnung, und sie erreichten in diesen naturlebendigen Wohnungen ein überhohes und völlig gesundes Alter. Im Norden sowohl Asiens als auch Europas und noch anderer großer und kleinerer Weltteile, auch auf der südlichen Erdhälfte, wohnen noch heutzutage ganz kräftige und gesunde Menschen, in naturmäßiger Hinsicht genommen, in Wäldern, und so ist ein solcher Wald nicht etwas so Furchtbares und Nutzloses, als sich das der kurzsichtige Verstand der Menschen vorstellt! Wenn ihr das begriffen habt, dann seid nun nur recht heiteren Mutes darüber, daß wir hier noch so einen recht gesunden Urwald angetroffen haben.“

[GEJ.09_063,08] Während Ich aber den Jüngern dieses über den dichten Wald eröffnete, kamen wir auf eine freiere Stelle des Waldes, die mit alten Zedern umwachsen war. Und da war eine Zeder, die hohl war und darum eine große Masse Bienen in sich beherbergte, die so viel Honig bereiteten, daß dieser, weil er von den Bienen nicht verzehrt werden konnte, allenthalben aus den Ritzen und Spalten des mächtigen Baumes so reichlich herausfloß, daß eine Vertiefung, von dem Baume etwas nach abwärts, wie ein kleiner Teich ganz mit dem besten Honig vollgefüllt zu sehen war und von den Jüngern bald ein Abfluß von dem wahren Honigteiche nach rechts weit in den Wald hinein entdeckt wurde.

[GEJ.09_063,09] Und Petrus sagte: „Da ist wahrlich noch ein Stückchen des alten Kanaan, in dem Honig und Milch in Bächen floß! Es ist nur ordentlich wunderbar, daß die stets unersättliche Habsucht der Menschen diesen wahren Honigsee bis jetzt noch nicht entdeckt hat. Herr und Meister, schade, daß wir kein Brot bei uns haben, – da könnten wir uns ganz wohl mit dem Honigbrote sättigen!“

[GEJ.09_063,10] Sagte darauf Philippus: „Einen Laib Brotes hätte ich wohl bei mir; aber wir sind nun unser etliche vierzig an der Zahl, und es wird darum wenig auf einen kommen!“

[GEJ.09_063,11] Sagten darauf die Johannesjünger: „Wir haben auch noch ein paar Laibe, die wir schon in Jericho gekauft haben, und so dürfte das Brot doch, wenn auch in kärglicher Weise, für uns alle wohl auslangen!“

[GEJ.09_063,12] Sagte Ich: „Wenn es euch schon hungert, da verteilet unter euch die drei Laibe, und esset!“

[GEJ.09_063,13] Die Jünger taten das und übergaben auch Mir ein bestes Stück.

[GEJ.09_063,14] Darauf segnete Ich das Brot, und es vermehrte sich also, daß wir nun alle des Brotes zur Übergenüge hatten. Wir setzten uns denn um den Teich, tauchten das Brot in den Honig, und die Jünger, und ganz besonders Judas Ischariot, konnten sich an dem süßen Brote nicht zur Genüge satt essen.

[GEJ.09_063,15] Diese Mahlzeit dauerte bei einer halben Stunde lang, und Ich sagte: „Nun haben wir alle genug des Honigbrotes gegessen, und es ist Zeit, daß wir diese für euch gar zu süße Waldstelle verlassen und sehen, heute vor dem Untergange noch Galiläa zu erreichen, denn hier sind wir noch in Samaria.“

[GEJ.09_063,16] Sagte Petrus: „Herr, wahrlich, hier wäre es gut, ein paar Tage lang zu verbleiben und so ein wenig auszuruhen! Hier wären wir auch vor der oft lästigen Zudringlichkeit der Menschen sicher; denn diese Stelle hat vor uns ganz sicher noch kein Mensch entdeckt, weil der Honigteich noch so voll ist, daß er überfließt.“

[GEJ.09_063,17] Sagte Ich: „Die Menschen haben zwar diese Waldstelle nicht entdeckt, aber mehrere Bären dieses Waldes schon lange, und diese werden nicht zu lange auf sich warten lassen. Wollt ihr mit solchen Bewohnern diese Nacht an diesem Honigteiche zubringen, da könnet ihr schon hier übernachten. Doch Ich werde da nicht in der Gesellschaft der Bären verweilen, und mit der Macht Meines Willens will Ich sie nicht bezwingen und ihnen ihre Mahlzeit schmälern!“

[GEJ.09_063,18] Als die Jünger von der Ankunft mehrerer Bären hörten, vor denen die meisten einen Abscheu hatten, da waren sie denn auch gleich zur Abreise bereit. Ein jeder tauchte noch einmal seinen Rest Brotes in den Honig, erhob sich dann schnell vom Boden, und wir verließen diese Stelle und zogen unseren Weg weiter, den wir uns aber eine ziemliche Strecke weit erst bahnen mußten, weil wir uns ehedem, um zu unserem Honigteiche zu gelangen, von der gebahnten Straße bergaufwärts entfernen mußten.

[GEJ.09_063,19] Nach einer Weile gelangten wir mit mancher kleinen Mühe wieder zu der gebahnten Straße noch im Walde, auf der wir uns dann wieder mit Windesschnelle vorwärtsbewegten und so denn auch schon in einer halben Stunde das Land Galiläa erreichten.

 

Jakob Lorber